Fendur – Der große Schrecken (Therapeutische Geschichte)

Fendur – Der große Schrecken
(Therapeutische Geschichte)

 

© Praxis Der Zuhörer - Steffen Zöhl, 2017

Jörn würden wohl viele als ängstlich beschreiben. Er jedoch sah sich als vorsichtig und zurückhaltend. Er bekam gerne mal Angst in ungewohnten Situationen, wenn er z.B. allein vor den anderen etwas sagen musste, wenn er irgendwo neu war und niemanden kannte oder wenn er durch dunkle Straßen nachts allein ging. Dann spürte er, wie sein Herz schneller schlug, der Puls klopfte und sein ganzer Körper kribbelte und angespannt war. Er mochte die Angst nicht. Dann fühlte er sich klein und hilflos. Er hasste die Angst und er hasste sich dafür, wenn er sie spürte. Auch das flaue Gefühl im Magen und die zittrigen, feuchten Hände mochte er so gar nicht.

 

Wenn er vor anderen etwas sagen musste, ob in Prüfungen oder als Rede, war er auch sehr nervös. Das kannte er schon aus der Schule. Früher als andere begann er zu lernen und bereitete sich vor. Dann, kurz vor der „Prüfung“ oder der Rede, kamen alle furchtbaren Gedanken hoch, was alles schief gehen könnte. Seine Angst war da sehr kreativ und sandte ihm immer mal wieder neue Schreckensszenarien: vom Blackout, über das Versagen der Stimme, einen Feueralarm, kaputte Hosen, Hunde, die plötzlich reingelaufen kämen und ihn anspringen, Stromausfälle bis hin zum Ausgelacht werden, war alles dabei. Manchmal waren auch sehr absurde Einfälle dabei – wie z.B. ein Wespennest, das von der Decke fallen würde, ihm auf dem Kopf landet und er gestochen wird. Im Nachhinein stellte er dann stets fest, dass es nie so schlimm war, wie er befürchtet hatte, meistens war er sogar richtig gut. Die anderen hatten seine Angst meist gar nicht bemerkt. Und doch versuchte er, diese Situationen zu umgehen, wenn es möglich war.

 

Eines Tages war es mal wieder soweit. Jörn sollte vor dem Kreis der Kollegen eine Rede halten. Schon eine dreiviertel Stunde vor dem Termin war er dort, hatte die Technik geprüft und ging in Gedanken seinen Vortrag nochmal durch. Er hatte sich auch überlegt, welche Fragen möglicherweise aufkommen könnten und sich darauf vorbereitet. Kaum saß er dort, ging es wieder los. Die Hände kribbelten, dann die Arme, dann der Rest und er spürte, wie sein Herz pochte und schneller schlug. „Ob das wohl gut geht? Ich will mich doch nicht blamieren.“, dachte er so bei sich. Plötzlich setzte sich eine junge Frau zu ihm und lächelte ihn an. „Na, aufgeregt?“, fragte sie Jörn, „Ich bin Milena, die neue Kollegin.“ „Als ob ich nicht schon aufgeregt genug bin, jetzt ist auch noch jemand so überpünktlich und dann auch noch eine unbekannte … Frau.“, dachte sich Jörn. „NEIN, ich … naja vielleicht ein bisschen angespannt.“, druckste er. „Ich bin Jörn.“, stellte auch er sich vor.

 

„Ich weiß. Du hältst gleich den Vortrag. … Wenn ich Angst habe, stelle ich mir manchmal vor, wie sie wohl aussehen würde, meine Angst“, sagte Milena. „DIESE Frau hat Angst?“, fragte er sich, „dabei sieht sie so tough aus. Vielleicht ist es ja gar nicht … vielleicht bin ich ja gar nicht so un-normal?“ Als Kind hatte er sich auch vorgestellt, wie sie wohl aussehen würde – seine Angst. „Fendur“ hatte er sie genannt. Sie war riesig groß und sah fürchterlich aus. Große rote Augen, die ihn anstarrten, ein grau-schwarzes Fell und riesige Klauen und Zähne. Er schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie seine Angst wohl aussehen würde. Sie sah für ihn wie ein riesiges Auge aus, was über ihm schwebte und auf ihn prüfend herabsah, mit großen Ohren und einem kleinen Mund, der unaufhörlich plapperte. Er konnte es hören: Was alles schief gehen könnte und ob er auch wirklich vorbereitet ist und dass er sich ja blamieren könnte und was wohl die KollegINNen denken werden, …

 

„Manchmal nehme ich dann Kontakt mit meiner Angst auf“, hörte er Milena sagen. „Was für eine verrückte Idee“, dachte er sich, aber er war auch neugierig. Also schaute er sich seine Angst an. Die Angst … war verblüfft, und das Auge ging noch weiter auf. Er konnte quasi ihre Gedanken hören: …

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[Diese Geschichte verdeutlicht auf bildhafte Art meine Arbeitsweise. Oftmals sind Ängste Freunde in schrecklichen Verkleidungen, die größer werden, um gesehen zu werden.]

 

 

 

 

 

 

(© Praxis Der Zuhörer – Steffen Zöhl, 2017)

 

 

 

 

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Steffen@dmin

    Vielen Dank und viel Erfolg.

  2. Peter Becker

    Prima Geschichte.
    Und ein glücklicher Zufall. Die Methode kenne ich zwar bereits aus Psychologie Heute und habe selbst schon solche Angst-Personifizierung angewendet, aber die konkrete Geschichte kommt mir gerade recht, weil ich eben wieder einen Angstkunden hereinbekommen habe.

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