onlinechat mit meiner Angst (Thema des Monats)

Ich starte mit einer Neuerung in meinem Blog, dem Thema des Monats.

Es geht mir um Ideen, Gedankenansätze und vor allem Meinungsaustausch.

Anfang eines Monats werde ich einen Beitrag zu einem Thema vorstellen und würde mich über einen aktiven Gedankenaustausch dazu freuen.

Ich bin gespannt, wie erfolgreich dieser Versuch sein wird.

 

Das 1. Thema (Februar 2018) behandelt eines meiner Schwerpunkt Themen – Ängste.

 

© Praxis Der Zuhörer - Steffen Zöhl, 2018

 

Wir leben in einer digitialisierten Welt. Ich kann heutzutage fast alles online bestellen, erstellen, versenden, verkaufen oder verbreiten. Nachrichten zu verbreiten, ist leichter als sie zu recherchieren oder eine Zeitung zu kaufen. Während früher Briefe oder Telefonate die nicht-persönliche Kommunikation beherrschten, gibt es heute sms, whatsapp, twitter, skype u.v.m.

 In manchen Therapiesitzungen lassen ich meine Klienten mit ihren Ängsten kommunizieren, was viele gedanklich oder durch Aussprechen tun. Manchmal frage ich mich, wie das in ein paar Jahren aussieht, wenn die Mias, Hannas, Lenas, Leas, Leons, Lukas’, Bens und Fynns von heute einmal mit ihren Ängsten kommen. Werden die dann mit ihren Ängsten sms-en, chatten oder twittern?

 Ich stelle mir einen chat dann so vor:

 

<default>user betritt den Raum Kommunikation

<default>user lädt <unknown fear> in den Raum Kommunikation

 <unknown fear> betritt den Raum Kommunikation

<default>user schließt den Raum Kommunikation

Ich:

hallo

<fear>:

Hallo

Ich:

lass uns mal was klären, alter

<fear>:

Gern. Worüber willst Du sprechen?

Ich:

komm schon. tu mal nicht so

<fear>:

Du hast mich eingeladen.

Ich:

ja

Ich:

warum disst du mich immer so

<fear>:

Ich disse Dich? Was genau meinst Du?

Ich:

immer wenn ich im Dunklen nochmal raus muss, machst du mir panik und ich bekomm stress

<fear>:

Immer?

Ich:

naja fast immer – wenn andere dabei sind, geht es

Ich:

aber sonst – schwitze ich, der mund wird trocken, der puls rast und werd total unsicher

Ich:

ich mach mir dann die schlimmsten gedanken, was alles passieren könnte – du bist ein monster

<fear>:

Ich soll ein Monster sein?

Ich:

klar voll der oberstress – was soll das?

<fear>:

Erinnerst Du Dich noch an die Sommerzeit vor der 1. Klasse? Du warst mit ein paar Kindern aus der Nachbarschaft spielen. Beim Verstecken wolltest Du besonders gut sein und hast Dich hinter der Eingangstür vom Kohlenkeller versteckt. Ein Nachbar hatte versehentlich einen schweren Sack vor die Tür gestellt und das Licht ging aus. Fast eine Stunde warst Du dort eingesperrt bis sie Dich fanden.

Ich:

erinner mich bloss nicht daran – das war voll die blamage

<fear>:

Ja, Du warst noch klein und hattest plötzlich viel Angst, hast geweint.

<fear>:

Du wolltest so etwas nie wieder erleben. Da wurde ich geboren.

<fear>:

Seit dem passe ich auf Dich auf.

Ich:

naja aufpassen würde ich das nicht nennen und was hat denn das damals mit der straße heute zu tun?

<fear>:

Für mich war es gleich. Jedesmal, wenn Du etwas erlebt hast, was sich so oder so ähnlich anfühlte, kam ich an Deine Seite, um Dich wachsam zu machen.

Ich:

aber ich fühlte mich schwach und klein

<fear>:

Ich verstehe. Hast Du deshalb versucht, mich zu verdrängen?

Ich:

klar, denkst du ich wollte mich so fühlen?

<fear>:

Ah, und ich bin größer und auffälliger geworden, DAMIT Du mich besser siehst.

Ich:

klar, du machst auf riesig – läuft bei dir und ich loose ab

<fear>:

Ich wollte Dich eigentlich nur beschützen, Dich wachsam und aufmerksam sein lassen.

Ich:

hm, so hab ich das noch nie gesehen

Ich:

aber alter – doch nich so, werd mal erwachsen

<fear>:

Alter? Wie alt schätzt Du mich denn?

Ich:

Na Du bist so alt wie ich halt

<fear>:

Ich bin fünfdreiviertel Jahre alt.

Ich:

WAS??? aber das erklärt zumindest, warum ich mich so klein fühle. Wieso bist Du nicht erwachsen geworden.

<fear>:

Mir fehlte damals wohl das Verständnis, was da eigentlich passierte. Das fehlt mir wohl noch immer.

Ich:

Ok, wenn ich mich so zurück erinnere – das fühlte sich damals wirklich sehr beängstigend an, auch wenn ich heute sage, dass mir nichts passiert ist und eigentlich auch kaum etwas hätte passieren können. Es hätte wohl gut getan, jemand hätte mich damals einfach mal in den Arm genommen und getröstet.

<fear>:

Oh, das fühlt sich gerade sehr gut an.

Ich:

und … sind wir jetzt buddys?

<fear>:

Aber sowas von. Let’s chill.

Ich:

hey cool, alter.

 

<default>user verlässt den Raum Kommunikation

<fear>:

Aber so ein kleines bisschen werde ich dennoch auf Dich aufpassen ;o)

 

 

(© Praxis Der Zuhörer – Steffen Zöhl, 2018)

 

https://derzuhoerer-berlin.de/chat-mit-angst

 

 

 

(© Praxis Der Zuhörer – Steffen Zöhl, 2017)

 

 

 

 

 

 

(Ansichten 418, 1 Ansichten heute)

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Steffen@dmin

    Vielen lieben Dank.

  2. Margarita Moerth

    Das ist sehr schön, der Umgang mit der Angst.
    Vielen Dank.

Schreibe einen Kommentar