Wie ein Flug mein Leben veränderte
-inspiriert durch Vanessa-
Montagmorgen – recht früh machte ich mich auf den Weg zum Flugplatz. Ein Inlandsflug macht Termine fast überall in Deutschland möglich. Auf der Fahrt bemerke ich noch, wie wunderschön die Sonne an manchen Tagen über Berlin aufgeht. Der Captain grüßt aus dem Cockpit und brummelt wie gewohnt halbverständliches Zeug ins Mikrofon. Ich schließe die Augen und döse ein bisschen bis die Crew die Getränke reicht. Beim Anflug gibt es ein paar irritierende Geräusche, aber zum Glück habe ich keine Flugangst. Plötzlich kommt der Captain wieder über den Lautsprecher. Bevor ich noch denken kann „den Text kenne ich schon …“, schrecke ich doch zusammen. „Meine Damen und Herren, es gibt ein Problem mit dem Fahrwerk. Wir haben eine Fehlermeldung und können zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sicher vorhersehen, ob eine planmäßige Landung möglich sein wird. Bitte nehmen Sie alle Ihren Sitzplatz ein und benutzen Sie die Sicherheitsgurte. Ladies and Gentlemen …“
Angst machte sich in mir breit wie ein Lauf-Feuer, dass von meiner Brust aus in den Körper ausstrahlte. Ich spürte, wie mein Herz pumpte und meine Hände kalt wurden und leicht zitterten. Ich malte mir aus, welche Szenarien möglich werden und, was ich darüber wusste, auf welchen Plätzen die größten Überlebenschancen im Falle eines Absturzes bzw. einer Notlandung bestehen. Noch war nichts passiert und alles könnte gut verlaufen, aber ich wollte vorbereitet sein auf den schlimmsten Fall. In den Gesichtern meiner Mitreisenden erblickte ich überwiegend Angst, Panik, Erstarren und Traurigkeit. Das Bordpersonal versuchte Ruhe auszustrahlen und bat auch die Passagiere um Aufmerksamkeit und Ruhe.
Es war wie in einem Film, der zu langsam ablief und meine Gedanken waren wie im Nebel. Doch plötzlich war mir klar, dass ich den wichtigsten Menschen in meinem Leben noch etwas mitzuteilen hatte. Ich holte mein Handy aus der Hosentasche und überlegte kurz. Wer weiß, wie viel Zeit mir noch blieb. Wem habe ich noch unbedingt etwas zu sagen und vor allem was? Es ist in solchen Momenten schwer, Herr seiner Gedanken und seiner Finger zu sein. Kein Handy an Board benutzen … es war mir sowas von egal.
Zum Glück gibt es Verteiler – also schrieb ich an meine Eltern, meinen Bruder und meine Frau „Ihr seid die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Ich liebe Euch und bin so unendlich dankbar, was Ihr alles für mich getan habt und, dass Ihr Teil meines Lebens seid. Ihr habt immer einen besonderen Platz in meinem Herzen.“ Ich hoffte, niemanden damit zu beunruhigen, doch es war mir wichtig.
Das war geschafft. Noch immer nichts Neues vom Captain. Die Crew hatte inzwischen mehrfach erläutert, wie wir uns im Falle des Falles zu verhalten und hinzusetzen haben. Niemand beschwerte sich erfreulicherweise über die Handys – denn mit einem kurzen Blick hatte ich gesehen, dass auch andere meinen Gedanken teilten. Was schreibt man noch, wenn man vielleicht nicht mehr lange lebt? „Du bist ein einzigartiger Mensch. Ich bin sehr dankbar dafür, glücklich und stolz, dass ich Dich kenne.“ Schon wieder rumpelt die Maschine und setzte einen erneuten Adrenalinstoß frei. Ich überlege, wie lange mir noch bleibt „Lebe Dein Leben.“ Schnell den Verteiler „Enge Freunde“ und abgeschickt.
Der Ton der Flugbegleiter wird schärfer. Wir sollen alle die Notfallposition einnehmen und uns ruhig verhalten. Aus einigen Sitzreihen höre ich ein Jammern und Weinen und auch meine Anspannung steigt. Mein ganzer Körper ist gespannt, meine Hände kalt und bleich und ich will eigentlich nur noch eine Entscheidung. Sind das meine letzten Momente? Ich drücke mich in den Sitz und male mir aus, was ich tun muss, um hier rauszukommen, wenn ich den Aufprall überlebe. Ein flüchtiger Blick aus dem kleinen Fenster – die Landung naht.
Ein immenser Ruck geht durch das Flugzeug, als wir auf dem Boden aufsetzen…
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(© Praxis Der Zuhörer – Steffen Zöhl, 2016)
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