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Die Liebe des kleinen Käfers (Therapeutische Geschichte)

Die Liebe des kleinen Käfers (Therapeutische Geschichte)

 

© Praxis Der Zuhörer - Steffen Zöhl, 2017Ein kleiner Käfer krabbelte tagein tagaus auf einer Wiese über den steingrauen Boden und sammelte heruntergefallene Blätter, Blüten und Samen auf. Manche aß er, die meistens sammelte er in seinem Bau für den Winter. Eines Tages sah er das Wunderschönste, was ihm jemals begegnet war – einen bunten Schmetterling. Er war von diesem Anblick so berührt, dass er ihn in sein Herz schloss. Der Schmetterling war verletzt und flatterte langsam und erschöpft zu Boden. Da nahm der kleine Käfer alle Kraft und Mut zusammen und brachte den Schmetterling in seinen Unterschlupf und pflegte ihn.

Er brachte ihm Nektar und Wasser und verband die Wunden mit Kamillenblüten. Es dauert eine Zeit, bis es dem Schmetterling besser ging und so hatten die beiden Zeit, sich zu unterhalten. Der Schmetterling berichtete von den bunten Blüten und ihrem Duft, den sie verbreiteten, wenn die Sonne auf sie schien. Er sprach von der großen Freiheit, über die sonnendurchfluteten Wiesen zu fliegen und sah das Leuchten in den Augen des kleinen Käfers. Der kleine Käfer wusste zwar, dass er kleine Flügel hatte, doch war er nie wirklich geflogen.

„Lass uns zusammen fliegen“, sagte der Schmetterling mit einem Lächeln. Der kleine Käfer traute sich zunächst nicht. Warum sollte er seine gewohnte, vertraute Umgebung verlassen? Doch hatte er den Schmetterling so in sein Herz geschlossen, dass er all seinen Mut zusammennahm. An einem milden Sommermorgen gingen die beiden zu einer Lichtung und der Schmetterling erhob sich in die Luft. Der kleine Käfer betrachtete die Schönheit und Eleganz des Schmetterling und sein Herz sehnte sich so sehr danach, mit ihm zu fliegen. Er öffnete seinen Schutzpanzer und breitete seine Flügelchen aus. Dann strengte er sich so sehr an, wie wohl selten in seinem Leben und ließ seine Flügelchen schlagen. Plötzlich schwebte er und flog höher und höher. Der Schmetterling lächelte ihn an. Er hatte bemerkt, warum der kleine Käfer plötzlich flog und was er empfand. Auch sein Herz wahr berührt.

Der Schmetterling flog höher und weiter und zeigte dem kleinen Käfer eine so bunte und wunderschöne Welt, die er vorher noch nie gesehen hatte. Der kleine Käfer lächelte glückselig über diese wundervollen Eindrücke und das Zusammensein mit seinem Schmetterling. Sie flogen immer wieder miteinander – stundenlang und viele Tage.

Eines Tages flog ein anderer Schmetterling über die Wiese und sah den kleinen Käfer und den Schmetterling. Er flog zu den beiden und umkreiste sie. Als der kleine Käfer das sah, ahnte er, was passieren würde und wurde sehr traurig. Auch der Schmetterling bemerkte dies und doch spürte er, dass er mit dem anderen Schmetterling fliegen wollte. Er drückte den kleinen Käfer ein letztes Mal und flog mit einer Träne im Auge davon. Er war nun mal ein Schmetterling.

Der kleine Käfer sah hinterher und weinte. Noch nie war er so glücklich gewesen, wie in den Momenten, als er mit dem Schmetterling geflogen war und noch nie war so traurig, wie jetzt. Sein kleines Herz war gebrochen. Voller Liebe und Dankbarkeit über diese Erfahrung erinnerte er sich an das Fliegen mit „seinem“ Schmetterling.

Er suchte diese Wärme, die er empfunden hatte und sah die Sonne. Dann flog er los, immer höher und höher der Sonne entgegen.

Irgendwann fiel eine leere Hülle auf die Wiese, die eines kleinen Käfers, der einmal glücklich war und dann die Sonne gesehen hatte.

 

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(© Praxis Der Zuhörer – Steffen Zöhl, 2017)

 

 

 

 

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