Das Weihnachtslicht (Therapeutische Geschichte) 4/8

Ein Weihnachtslicht ist eine besondere Erscheinung. Es leuchten zwar zur Weihnachtszeit viele Lichter, aber Weihnachtslichter leuchten, wo menschliche Wärme, Herzlichkeit und Liebe sich zeigen. Dabei ist ein Weihnachtslicht nicht unbedingt heller oder größer als andere Lichter und es leuchtet auch nicht nur im Dezember. Es ist aber ein Licht, das so voller Wärme leuchtet, dass es Menschen berührt und Herzen wärmt. Von acht dieser Weihnachtslichter will ich Euch berichten.

 

4. Licht „Heimkehr“

Finn hatte keine einfache Kindheit. Als sein Vater die Familie verließ, war er gerade 7 Jahre alt. Seine Mutter hat vieles versucht, doch als Alleinversorgerin, war nicht viel Zeit für ihren Sohn. Mit der Pubertät wurde das Verhältnis zwischen den beiden schwieriger. Er hatte sie bestohlen, belogen und sie beschimpft. Eines Tages mit 19 Jahren war er einfach abgehauen und lies sie ohne ein Wort zurück. Einige Zeit hatte er bei Freunden gelebt, dann eine Zeit auf der Straße, war durch die Städte gezogen mit Gelegenheitsjobs.

Dann führte ihn ein Zufall nach Norwegen. Sunja hieß „der blonde, wunderschöne Zufall“, der ihm Hoffnung, Mut und ein neues Leben schenkte. Als er eines Tages auf der Straße saß, blieb sie bei ihm stehen und schaute ihn an. „Was machst Du hier?“, hatte sie gefragt. Er hatte nicht aufgeschaut. „Hey, BrownEyeBoy“ hatte sie ihn nochmals angesprochen. Als er aufblickte, blendete ihn für einen Moment das Licht einer Laterne und er konnte nur einen Umriss sehen. Er zwinkerte mit den Augen und versuchte zu erkennen, wem die helle Stimme gehörte.

Dann sah er in die schönsten Augen und das herzerwärmendste Lächeln seines Lebens. Wer weiß, was sie in ihm gesehen hatte, aber sie hielt ihm ihre Hand hin und zog ihn hoch. Dabei stießen sie zusammen, sahen sich für eine gefühlte Ewigkeit in die Augen und lachten. Ein Licht wurde geboren. Für ihn strahlten ihre Augen so, dass es sich kaum daran satt sehen konnte.

Mit Sunja ging nach Norwegen. Er machte eine Ausbildung als Zimmermann und wurde zum besten Lehrling in seinem Betrieb. Die beiden waren sehr verliebt und ihre Augen leuchteten jedes Mal, wenn sie sich sahen. Und doch plagten ihn ein schlechtes Gewissen und eine Sehnsucht nach seiner Mutter. So gerne wollte er sich bei ihr entschuldigen, erklären, was alles passiert war und ihr sagen, dass es ihm gut geht und er sie liebte. Oft hatte er über das Internet versucht, eine Telefonnummer zu finden. Doch unter ihrem Namen konnte er in seiner Heimatstadt nichts finden.

Nun wo sie heiraten wollten, war es beiden ein großer Wunsch, seine Mutter dabei zu haben, sich zu versöhnen und Frieden zu finden. In manchen Nächten lag er wach -was wenn ihr etwas passiert war, sie krank wäre oder nicht mehr lebte. In einem Urlaub fuhr er zurück in seine Heimatstadt und suchte das Haus auf, wo er aufgewachsen war. Fast 8 Jahre waren vergangen. An der Klingel stand ein anderer Name und die Frau die öffnete, kannte seine Mutter nicht. Er suchte im ganzen Ort, fragte an verschiedenen Stellen. Manche kannten zwar noch seine Mutter oder ihn, aber niemand wusste, wo sie lebte.

Traurig und frustriert setzte er sich auf eine Bank, an dem kleinen Park, wo er als Junge gespielt hatte. Wo mochte sie nur sein. Er legte sein Gesicht in seine Hände und weinte. Vermutlich seit 15 Jahren zum ersten Mal weinte er um die verlorene Zeit, sein Verhalten in der Jugend und, dass er seiner Mutter nicht sagen konnte, wie sehr er sie liebte und es ihm leid tat. Plötzlich fragte ihn jemand, „Was ist passiert, dass Sie so traurig sind?“ Er blickte nicht auf. Zu schwer war die Last, die er mit sich trug.

„Ich komme so oft hierher, wie ich kann. Aber heute ist ein besonderer Tag. Heute ist der Jahrestag, an dem ich einen geliebten Menschen verloren habe.“ Die weibliche Stimme schluchzte kurz, „Aber ich gebe nicht auf. Irgendwann … irgendwann. Ich werde nie aufhören. ihn zu lieben.“ Die Worte berührten ihn sehr. Er fühlte, dass da jemand ähnlich empfand, wie er selbst. Noch in seiner ganzen Traurigkeit gefangen sagte er, „Ich habe so viel falsch gemacht, bis ich mich und mein Glück gefunden habe. Ich habe sie so verletzt und es tut mir so unendlich leid.“ Tränen liefen über sein Gesicht.

Plötzlich zuckte die Frau neben ihm zusammen. „FINN ? FINN?“ sie klang so erschrocken und aufgeregt. Er riss seine Hände vom Gesicht und blickte durch die Tränen verschwommenen Augen. Nach einigen Wimpernschlägen konnte er wieder klarer sehen und wurde von seinen Gefühlen übermannt. „MAMA …“, quälte er mit verweinter Stimme hervor.

Und das Weihnachtslicht wurde größer und größer. Minutenlang lagen sich beide in den Armen und waren glücklich. Mutterliebe ist unerschütterlich und Finns Mutter war sehr glücklich, dass es ihrem Sohn gut ging und war stolz, was er aus seinem Leben gemacht hatte. Zwei Jahre später zog sie zu ihrem Sohn und seiner Frau. Ein Enkelkind kündigte sich an und ein neues Licht sollte in die Welt kommen.

 

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(© Praxis Der Zuhörer – Steffen Zöhl, 2016)

 

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