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Die Weisheiten der alten Eule 8 (Therapeutische Geschichte)

Die Weisheiten der alten Eule
(Therapeutische Geschichten)

 

In einer sehr alten Eiche lebte eine auch ziemlich alte Eule. Mit der Zeit konnte sie schlechter hören und sehen, aber die Tiere des Waldes gingen gern zu ihr, wenn sie Sorgen und Probleme hatten. Im Gespräch mit der alten Eule fanden viele Tiere ihre Lösungen und verstanden, was das eigentliche Thema war. Von einigen dieser Begebenheiten will ich berichten.

 

Der kleine Igel Malte

Es gab eine Zeit im Wald, da war „Vorsicht Malte“ häufiger zu hören. Manchmal galt es dem kleinen Igel Malte selbst und manchmal war es eher eine Warnung für die anderen. Dass man beim Spielen mit Igeln vorsichtiger sein sollte, um nicht gepiekst zu werden, wussten die anderen Waldkinder. Auch die Igel wussten das.

Doch der kleine Igel Malte wurde oft traurig, wenn er „Achtung Malte“ oder „Vorsicht Malte“ hörte. So gern hätte er einfach nur mit den anderen spielen wollen. Doch wenn sie mal nicht mit ihm spielen wollten oder er nicht seinen Willen bekam, kugelte sich Malte schnell ein. Er sah dann aus wie eine kleine Stachelkugel. Dann hatten die anderen oft Angst und liefen weg. „Dann eben nicht“, schnaufte Malte in sich hinein. Seine Stachelhaut schützte ihn dann. Aber so sahen die anderen Waldkinder auch nicht, wie traurig er dann war. Wenn er mal so richtig ärgerlich über jemanden war, dann rollte er sich zusammen und auf denjenigen zu. Das piekste dann und der oder die andere war dann traurig. Manchmal weinten die Kinder dann auch. „Jetzt weißt Du mal, wie das ist.“, dachte sich dann Malte. Eigentlich wollte er die anderen zwar nicht verletzen, aber irgendwie wusste er auch nicht weiter.

Eines Tages spielten die Waldkinder auch unter der Eiche der weisen Eule. Das Fangen-Spiel mochten die Waldkinder. Malte wurde nur selten gefangen. Viele hatten Angst, ihn abzuklatschen, weil sie befürchteten, sich zu pieksen. „Hier bin ich . Hieeer. Fang mich doch.“, rief Malte. Er war ganz stolz auf sich, weil er geübt hatte, schneller zu laufen. Doch als die anderen ihn weiterhin nur sehr selten fangen wollten, wurde er trotzig und kugelte sich ein. „Achtung Malte“ hörte er wieder. Die Kinder machten nun erst recht einen Bogen um ihn. Die weise alte Eule schaute sich das eine Weile an und flog dann hinab zu den spielenden Kindern.

„Na Malte, Du scheinst nicht ganz zufrieden zu sein?“, fragte die weise Eule vorsichtig. „Das brauche ich jetzt gerade auch noch!“, grummelte Malte in sich hinein. „Na warte, Dir werde ich es zeigen.“, dachte er sich. Er fühlte sich ertappt und wollte nicht, dass die anderen merkten, dass er eigentlich traurig war. Er schaute einmal grimmig und rollte sich zusammen. Dann rollte er auf die Eule zu. „Du wirst es gleich selbst spüren, wie sich das anfühlt …“, dachte er sich und rollte über ihre Füsse. Er war es gewohnt, dass die anderen dann davonliefen, jammerten, weil er sie gepiekst hatte oder auf ihn schimpften. Doch die Eule … zuckte nicht einmal. „Komm mal zu mir und erzähle.“, sagte die weise Eule zum kleinen Igel.

Malte wollte, dass die Eule seinen Schmerz, die Traurigkeit und Wut, auch spürte. „Los geh weg!“, er rollte nochmal über ihre Füße, aber die reagierte nicht darauf. „Eulen scheinen keinen Schmerz in den Füßen zu spüren.“, versuchte er sich das unerwartet Erlebte zu erklären. „Ich werde nicht weggehen, bevor wir gesprochen haben“, sagte die Eule, „ganz gleich, wie oft Du mir noch in die Füße piekst.“ „Sie fühlt es also doch!“, erschrak Malte. Da war er verwundert. „Nun erzähl mal, was mit Dir los ist.“, lächelte ihn die Eule an.

Da nahm Malte seinen Mut zusammen und schüttete ihr sein Herz aus. Er erzählte davon, wie er sich fühlte, wenn er sich ausgegrenzt und anders fühlte. Nun kullerten auch ein paar Tränchen seine Wange herunter. Doch irgendwie fühlte er sich danach leichter. „Anders zu sein, ist nichts Schlechtes. Es kann sogar etwas sehr Gutes sein. Jeder ist doch auf seine Art irgendwie anders.“, sagte die weise Eule, „Schau Dich mal um. Hier ist doch keiner genau wie der andere.“ Malte schniefte kurz und sah sich um. „ABER …“, fing Malte an, „warum ärgern mich die anderen dann?“ Die Eule schaute ihm in die Augen und fragte: „Wie genau ärgern sie Dich denn?“

Malte überlegte kurz und antwortete: „Immer wenn ich ‘Achtung Malte’ höre oder sie mich beim Fangenspiel nicht fangen wollen zum Beispiel.“ „Hm“, die Eule schaut fragend, „Hast Du ihnen das denn mal gesagt?“ „Gesagt?“, stutzte der kleine Igel, „ähm … nein, ich dachte immer …“. Man konnte seinem Gesicht ansehen, dass es ihm plötzlich bewusst wurde. „Wenn Du Dich zur Kugel einigelst und den anderen nicht sagst, wie es Dir geht, … wird sich vermutlich nichts ändern.“, zwinkerte ihm die Eule zu bevor sie wieder in ihr Nest flog.

Am nächsten Tag erzählte er den anderen Waldkindern, was ihn manchmal traurig machte und warum er sich dann einigelte. Er hatte immer gedacht, die anderen würden ihn auslachen, aber das taten sie nicht. Auch die anderen erzählten nun, was sie manchmal störte, ihnen Angst machte oder sie traurig werden ließ. Irgendwie fühlten sich die Waldkinder nun verbundener. Seitdem rollte sich Malte nur noch selten zusammen.

Am Nachmittag verabredeten sie sich zum Fangen spielen. Malte sollte als erster fangen. Als er die anderen sah, strahlte er voller Glück. Sie hatte sich alle Handschuhe mitgebracht und Malte … musste ganz schön laufen ;o)

 

 

 

 

 

(© Praxis Der Zuhörer – Steffen Zöhl, 2019)

 

 

 

 

 

 

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